oder: Warum man nicht jede Einladung annehmen sollte
Noch vor dem Jahre Tausend kamen durch den wilden Wald Wendenhäuptlinge in seltsamer Tracht in die Gegend des heutigen Gernrode geritten. Sie waren von Markgraf Gero eingeladen worden, aber ein alter Krieger namens Tugimar traute dem Frieden nicht recht. Mehrmals sprach er seine finsteren Gedanken aus, fürchtete Verrat. So kam es bald zum Zank unter den Reitern, schließlich verließ Tugimar die Gruppe und ließ seinen Bruder mit den anderen Wenden zu Gero weiterreiten. In Geros Burg wurde die Gruppe herzlich willkommen geheißen, alles glänzte im Fackelschein, die Pferde der Wendenfürsten wurden gut versorgt. Auch die Speisen und der Wein schmeckte den Gästen bestens. Der Wein, ein ungewohnter Trunk für die Gäste, ließ sie lustig werden, und bevor die ersten zum Aufbruch mahnten, war schon ein Großteil von ihnen trunken unter die Tische gesunken. In diesem Moment trat plötzlich Gero, der kurz den Saal verlassen hatte, mit seinen bis an die Zähne bewaffneten Knechten ein. Erschrocken und wehrlos wie die Gäste waren, wurden sie von Geros Getreuen unter entsetzlichem Geheul bis auf den letzen Mann niedergemetzelt. Noch im Blute seiner Freunde sprach dieser letzte Lebende einen Fluch aus, Gero verstand bis auf „Tugimar“ nicht viel, aber der Schrei verfolgte ihn.
Voller Abscheu hörten die Wenden von der Tat an ihren Fürsten. Zunächst zogen sie sich zurück, dann suchten sie sich Verbündete in Ungarn und überzogen die germanischen Auen mit Krieg. Erst starb Geros erster Sohn in diesen Schlachten, dann sein zweiter Sohn Siegfried. Nun begann Gero seinen Überfall aus tiefstem Herzen zu bereuen. Zur Sühne für das begangene Unrecht stiftete er das Kloster Gernrode mit seiner Kirche. Hathui, die Witwe seines Sohnes Siegfried setzte er als erste Äbtissin ein. Doch noch heute, in mondhellen Nächten, steht Gero auf aus seinem Grabe, legt sich seine vermoderte Rüstung an und geht auf der Stätte des Mordes um.