Es ist Freitagvormittag, Anfang Dezember. In der Nacht hat es zum ersten Mal in dieser Saison so richtig geschneit. Nichts wie raus! Die ersten Wanderer kämpfen sich mit uns den Berg hinauf. Auf einer kleinen Lichtung steht das Rodelhaus. Mit roten Wangen und kalten Nasen betreten wir den Gastraum. Die Blicke fallen unweigerlich auf die alten Schlitten und historischen Fotos an den Wänden – eine 1.500 Meter lange Rodelstrecke bis Braunlage hinab beginnt direkt am Haus! Seit 2008 kümmert sich Judith Bothe um den Fortbestand der über einhundertjährigen Hüttentradition an diesem Ort, wenige Meter entfernt von der Mittelstation der Wurmberg-Seilbahn. Mit strahlendem Gesicht begrüßt uns die sportliche Wirtin. Auch sie kommt gerade von draußen herein, trägt noch Laufsachen. Und während sie schnell duschen geht – ihren Gästen bietet sie diesen Service gegen ein kleines Entgelt ebenfalls an – nehmen wir Platz, genießen den Blick durch die großen Fenster auf die "Puderzuckerlandschaft" und schauen in die Speisenkarte. Currywurst, Burger, Leberkäse. Die klassischen Gerichte eines Ausflugslokal. „Das erwarten die Gäste“, erklärt uns wenig später Judith Bothe, nun in Arbeitskleidung mit langer Schürze wie ihre Serviererin, mit der sie im Laufe dieses Mittagsgeschäfts, unser Gespräch hin und wieder unterbrechend, Hand in Hand arbeiten wird. „Aber bei der Qualität der Lebensmittel kann ich überraschen. Ich will wissen, woher die verwendeten Rohstoffe und Zutaten kommen und wie sie hergestellt werden. Denn das schmeckt man!“ An dieser Überzeugung lässt sie keinen Zweifel und dafür setzt sie alle Hebel in Bewegung, scheint es.
Ihre Produzenten kennt sie persönlich. Familie Thielecke aus Tanne mit ihrem Harzer Roten Höhenvieh, Familie Koithan aus Hattorf und deren Harzer Heuschweine (beides Typisch Harz-Produzenten), Familie Penk aus Großenrode, die Kartoffeln anbaut und und und. Ein ganzes Büchlein – es liegt neben der Karte auf jedem Tisch – hat sie gestaltet, stellt darin charmant und informativ ihre Lieferanten vor, zumeist kleine und mittelgroße Betriebe, die allermeisten aus der näheren Umgebung und dem Harzvorland. Die Transparenz kommt bei den Gästen gut an, erfahren wir. Gern blättern sie im "Genussmacher", während das Team in der Küche die Speisen frisch zubereitet. Viele der Zulieferer tragen nicht nur das Qualitätssiegel Typisch Harz, sie gehören auch zur „Slow Food“-Gemeinschaft, genau wie das Rodelhaus. In den achtziger Jahren entstand in Italien der Gedanke, für kulinarischen Genuss einzutreten. Eine Idee, die bald auch hierzulande Verfechter fand. Heute zählt der „Slow Food“-Verein in Deutschland 14.000 Mitglieder in 86 Convivien, wie die regionalen Verbände genannt werden. "Gut, sauber und fair“ soll das Essen sein. Im Jahr 2012 erfuhr Judith Bothe eher zufällig von der Initiative, wurde neugierig und suchte nach Produzenten im Harz. „Das sind gar nicht wenig!“, erzählt die Hüttenwirtin. In ihrem "Rodelhaus" achtet sie vor allem auf Regionalität, Nachhaltigkeit und das Wohl der Tiere. Letzteres liegt der Vegetarierin seit ihrer Kindheit am Herzen. Der Aufwand in ihrem Gastronomiegeschäft erhöht sich damit immens, kostet viel Kraft und braucht Leidenschaft. Das wird schnell klar, wenn man die Unternehmerin bei ihrer Arbeit erlebt und reden hört: „Heute morgen war ich schon bei zwei Produzenten, um Ware abzuholen und die nächsten Lieferungen zu besprechen. In Großenrode bestellt Familie Plenk mittlerweile ein halbes Feld Kartoffeln allein für das Rodelhaus. Der Landwirt plant meinen Bedarf fest ein, verlässt sich auf die Abnahme und ich muss mit viel Gespür kalkulieren. Nicht so einfach", gibt sie zu. Sie freut sich aber sehr über die Wertschätzung, die sie beispielsweise dadurch erfährt, dass ihre gesamte Rodelhaus-Gastronomie das Typisch Harz-Label tragen darf.