Sind diese phantasievollen Namen für die Gerichte vielleicht nur Ergebnis einer nüchtern umgesetzten Marketingstrategie? Florian Schulze kontert: "Nein. Wo bei uns Oma drauf steht, ist auch Oma drin! – Im übertragenen Sinne natürlich", und lacht. Im alten Landhaus werden tatsächlich vor der Entwicklung eigener Rezepte die älteren Familienmitglieder, allen voran die über 90-jährige Käthe Neukirch, befragt: Wie habt Ihr früher einen Rinderbraten zubereitet? Oder was ist das Geheimnis frischer, kross gebackener Kartoffelpuffer? Und so wird altes Küchenwissen generationenübergreifend weitergereicht und heute noch genutzt. Küchenchef Ulf Wachsmuth, den wir am nächsten Morgen kennenlernen, hat sichtlich Freude an der Zusammenarbeit mit Oma Käthe. Die beiden sind auf dieser Ebene seit über 30 Jahren im Landhaus Schulze ein Team. Und der Koch zählt nicht nur zum "Urgestein" des Gastronomiebetriebes, sondern praktisch mit zur Familie. "Für mich ist Ulf wie ein zweiter Vater", schießt es aus Florian Schulze heraus, der sich kaum an eine Zeit ohne den Chefkoch erinnern kann.
Als die Eltern Birgit und Michael Schulze im Alter von gerade etwas über 20 Jahren einst vom plötzlich sehr jung verstorbenen Großvater Karl-Heinz Schulze den Gasthof übernahmen, erhielten sie beim Sprung ins kalte Wasser von Anbeginn wirkungsvolle "Schwimmhilfe" durch Koch Ulf Wachsmuth. Die Geschichte des traditionsreichen Familienbetriebes ist mit dem Schulze'schen Stammbaum über vier Generationen verbunden und reicht bis Else Huff zurück, der Namenspatronin von "Oma Elses Salat". Bilder im Gastraum erinnern sogar an noch frühere Tage, denn ein Gasthaus an dieser Stelle wurde bereits vor über 100 Jahren genannt.
Die elterliche Gaststätte war für Florian Schulze wie ein zweites Kinderzimmer. "Bereits 1992 habe ich mein erstes Schnitzel einem Gast serviert", erinnert sich der ausgebildete Restaurantfachmann, "da war ich sieben Jahre alt und mächtig stolz!" Seine anspruchsvolle Lehre hat er im 5-Sterne-Hotel Revita im benachbarten Bad Lauterberg absolviert. Dann trieb es ihn in die Ferne. Er sammelte berufliche Erfahrungen in einem Stuttgarter Sterne-Restaurant, einem 5-Sterne-Haus in St. Moritz und als Steward auf einem Kreuzfahrtschiff. Schließlich strandete er für sechs Jahre in Ascona am Lago Maggiore in einem 5-Sterne-Superieur-Hotel. "Dort habe ich viel gelernt, vor allem über den Umgang mit Menschen", berichtet der bekennende Workaholic, der seinen Gästen sehr offenherzig-gastfreundlich begegnet. "Bedienen bedeutet die Bereitschaft zu dienen. Das muss man wirklich aus dem Inneren heraus wollen. Dann spürt es auch der Gast und fühlt sich wohl."
2012 dann der Schicksalsschlag! Vater Michael erleidet einen Schlaganfall und fällt für zwei Jahre in der Gastwirtschaft aus. Florian zögert nicht lange und kehrt nach Herzberg zurück, um seiner Mutter helfend beizustehen. Kaum spürbar bringt er sich mehr und mehr in die Abläufe des Familienbetriebes ein. "Auf einer Rückkehrparty mit Freunden traf ich meine heimliche Schulliebe Katharina wieder. Und diesmal hat es gefunkt." Seit 2017 führen beide die Geschicke des Landhauses Schulze in beruflich bedingter Arbeitsteilung: Er als Gastronom und Inhaber – sie als Kauffrau mit Prokura. Außerdem, was Wunder, hält die zierliche Frau als Mutter und Schwiegertochter die Fäden des Familienbetriebs im Hintergrund liebevoll zusammen.