Südliche Befestigungs- und Wallanlagen mit baulichen Zeugnissen der Goslarer Stadt- und Bergbaugeschichte
Die Stadt Goslar verfügt über umfangreiche Relikte einer mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtbefestigung: Stadtmauern, Stadttore und Verteidigungstürme sowie künstlich aufgeschüttete Erdwälle und Wassergräben umgaben die historische Stadt und sind an vielen Stellen noch erlebbar. Ein Spaziergang entlang der südlichen Wallanlagen Goslars führt zu wichtigen Sehenswürdigkeiten der Stadtbefestigung, aber auch zu historischen Zeugnissen des Rammelsberger Bergbaus und zur Kaiserpfalz.
Die Tour beginnt am sog. Breiten Tor am östlichen Ende der Breiten Straße mit einer Übersichtstafel zu den historischen und noch erhaltenen Bestandteilen der historischen Stadtbefestigung. Das Breite Tor selbst ist eines von vier ehemals vorhandenen Haupttoren der Stadt. Verlässt man die Altstadt durch dieses historische Stadttor gelangt man in den ehemaligen Vorhof des Breiten Tores, umgeben von einem direkt an das Stadttor angebauten Flankenturm, einem mächtigen Zwingerturm (nördlicher Zwinger) sowie einem ehemaligen Kasernenbau für die Torwächter mit anschließenden südlichem Zwingerturm. Vorbei am ehemaligen Kasernenbau (seit dem späten 19. Jahrhundert „Werderhof“ genannt) zweigt ein Fußweg in Richtung Osterfeld ab (Brieger Eck in Richtung „Städtische Sportanlagen“). Hier befindet sich eine Infotafel zur Gesamtlage des Breiten Tores.
Nur wenige Meter weiter kann man die Ockersümpfe entdecken. Dies sind ehemalige Absetzbecken für das Rammelsberger Bergwasser, das durch einen im 16. Jahrhundert fertiggestellten Entwässerungsstollen, dem „Tiefen-Julius-Fortunatus-Stollen“, bis kurz vor die Mauern der Stadt abgeleitet wurde. Aus den eisenoxydhaltigen Grubenwassern konnte hier das Farbpigment „Ocker“ gewonnen werden. Eine nach Südwesten abzweigende Allee entlang eines Zuleitungsgrabens führt direkt zum Mundloch dieses Entwässerungsstollens. Hinter einer unscheinbaren Tür verbirgt sich der Zugang zum 2,6 km langen Stollen, der als einer der wichtigsten Unterharzer Denkmäler des Bergbaus gilt.
Oberhalb des Stollenmundlochs befindet sich eine burgähnliche Anlage, die dem Schutz eines Wasserdurchflusses diente. Hier tritt die sog. Abzucht, ein das Altstadtgebiet durchquerender künstlicher Wasserlauf zum Antrieb von Mühlen, aus der Stadt. Um das Eindringen von Feinden zu verhindern, wurde dieses sog. Wasserloch durch stadttorähnliche Türme samt Vorwerk gesichert. Das Bauwerk war eingebunden in eine Stadtmauer, die im weiteren Wegeverlauf gut erkennbar ist. Ursprünglich war die mittelalterliche Stadtmauer nur drei bis vier Meter hoch und mit Zinnen bekrönt. Hinter den Zinnen verlief stadtseitig ein hölzerner Wehrgang. Infolge der Entwicklung von Feuerwaffen und Kanonen wurde der leicht entflammbare hölzerne Wehrgang um das Jahr 1500 entfernt und die Stadtmauer auf bis zu 6 Meter erhöht. An die Stadtmauer außenseitig angebaute, halbrunde Wehrtürme dienten der Überwachung. Zusätzlich sollten künstlich aufgeschüttete Erdwälle und Wassergräben die Stadt vor Beschuss schützen. Eine zweite, um diese Zeit errichtete Stadtmauer, die sog. Feldmauer, bildete den äußeren Verteidigungsring.
Diese Erweiterung der mittelalterlichen Stadtbefestigung durch Wall und Gräben ist im Bereich der „Judenteiche“, die die Reste eines ehemaligen Wassergrabens darstellen, gut erkennbar. Folgt man dem unteren Weg entlang dieser Teiche ist rechts der hohe, künstlich aufgeschüttete Erdwall erkennbar. Jenseits der Teiche ist die äußere Stadtmauer noch nahezu vollständig erhalten. Der Ursprung des Namens „Judenteiche“ ist ungeklärt, allerdings werden die Wassergräben in diesem Abschnitt der Wallanlagen bereits im 18. Jahrhundert so bezeichnet. In den Teichen befindet sich ein Kunstwerk des israelischen Künstlers und Kaiserringträgers Dani Karavan. Die beiden Holzgestelle, die Bestandteile einer „Brücke“ ohne Verbindungsstück darstellen, waren ursprünglich weiß gefasst und sollen die Notwendigkeit menschlicher und kultureller Brückenschläge versinnbildlichen. Infolge der Verwitterung des Holzmaterials ist das Kunstwerk einem zunehmenden Verfall preisgegeben. Es ist jedoch der Wunsch des Künstlers, das Werk erst nach vollständigem Verfall zu erneuern, um den Kreislauf des Lebens zu versinnbildlichen.
Im weiteren Verlauf der Wallanlagen erreicht man den „Dicken Zwinger“, einem mächtigen, ehemals mit einem hohen Kegeldach versehenen Verteidigungsturm. An strategisch wichtiger Stelle auf der Wallkrone errichtet, konnten die in die Wallanlagen eindringenden Feinde mit Kanonen unter Beschuss genommen werden. Im Turm befindet sich heute ein privat geführtes „Mittelalter-Museum“, das besichtigt werden kann.
Vorbei am Dicken Zwinger gelangt man zum Kahnteich, der ebenfalls ein Rest der Wassergräben darstellt. Auch hier sind Erdwall und äußere Stadtmauer noch gut erkennbar. Im weiteren Verlauf wurden die Wallanlagen durch einen Kasernenbau des 19. Jahrhunderts verändert, so dass man nun in die Wallstraße in Richtung Stadtmitte abbiegen muss. Überquert man nun die Wallstraße in Höhe des Wegweisers „Kaiserpfalz“ erblickt man bereits das prächtige Pfalzgebäude, das in den Jahren 1045-50 durch Kaiser Heinrich III. vermutlich an Stelle eines Vorgängerbaus der Zeit um 1000 errichtet wurde und Stätte zahlreicher Reichsversammlung im Mittelalter war. Gegenüber der Kaiserpfalz ließ Heinrich III. eine Kirche mit Kreuzgang erbauen, von der allerdings nur noch die Vorhalle erhalten ist. Eine Infotafel am südlichen Weg zur Kaiserpfalz gibt einen Eindruck von den Baulichkeiten des Pfalzbezirks.
Die Kaiserpfalz befand sich spätestens seit dem 13. Jahrhundert innerhalb der städtischen Befestigungsanlagen. Hinter dem Pfalzgebäude – im sog. Pfalzgarten, der bis 15. Oktober geöffnet ist – sind noch wesentliche Reste der Stadtmauer erhalten. Eine Pforte in dieser Stadtmauer führt wieder hinaus in die historischen Wallanlagen. Folgt man nun dem serpentinenartigen Weg gelangt man zum sog. Oberen Wasserloch, dem Pendent zum Unteren Wasserloch. Auch die Eintrittsstelle der Abzucht in die Stadt wurde durch ein besonderes, den Wasserlauf überspannendes Bauwerk gesichert. Der Durchfluss konnte durch ein Fallgatter verschlossen werden.
Schließlich erreicht man die Stelle des ehemaligen Klaustores, einem weiteren wichtigen Stadttor Goslars. Das Klaustor lag an einem Verbindungsweg zwischen Altstadt und Rammelsberg, aber auch in der Nähe der Harzer Handelsstraße (heute Straße nach Clausthal-Zellerfeld). Vom ehemaligen Stadttor ist nur noch eine sich ehemals an den Torbau anschließende Kapelle vorhanden. Diese war in die Stadtmauer integriert, wovon noch Spuren von Schießscharten in der Südwand zeugen.
Hier endet der Spaziergang durch die südlichen Wallanlagen. Folgt man der Bergstraße stadteinwärts gelangt man ins Zentrum der Altstadt, vorbei an bedeutsamen Bürgerhäusern, wie das Siemenshaus (Stammhaus der Familie Siemens) oder dem sog. Brusttuch, dem im 16. Jahrhundert errichteten Wohnhaus eines reichen Hüttenbesitzers.