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Brockenblick über das Torfhausmoor

1777

Das Motiv

28. Torfhausmoor, Goethe © Klassik Stiftung Weimar, Foto: Olaf Mokansky

Wer den Brocken von Torfhaus aus besteigt, hat bei guter Sicht auf dem Bohlenweg durch das Torfhausmoor den Blick, den Goethe hier zeichnete. Alles kann so sein, wie Goethe es zeigt, wenn man zur rechten Zeit da ist. Nach seiner Besteigung am 10. Dezember 1777 übernachtete Goethe in Torfhaus beim Förster. Als er nachts noch einmal vors Haus trat, stand der Mond über dem Brocken. Das hielt er am nächsten Tag in Clausthal aus dem Kopf fest, denn dort waren Pferde und Gepäck zurückgelassen, dort fand sich auch ein großer Bogen Papier.

Weniger als 300 waren es zu Goethes Zeit hier oben. Über 600.000 sind es heute. Seit langem sind hier oben die Wege für die Besucherströme abgezäunt. Anders ginge es auch nicht, weil der Berg sonst unter den Menschen verschwinden würde. Abseits der Wege herrscht absolutes Verbot für den Menschen, hier ist Kernzone des Nationalparks. Damit dieser empfindliche Ort so großartig bleibt! Denn der Brocken ist der höchste und beliebteste Berg Norddeutschlands, eine Landmarke. Aber auch Wasserspeicher, Wettermacher und gerade wegen seiner Wildnis Heimat alter Sagen.

Auch Goethes Phantasie war durch Walpurgis und die Hexen am Blocksberg (der alte Name für Brocken) befeuert. Aber nichts war selbstverständlicher als diese Besteigung, denn es herrschte seit Tagen dicker Nebel. Der Draufgänger Goethe kreuzte am Morgen des 10. Dezember einfach beim Förster auf, der die Besteigung für unmöglich hielt, weil man nicht drei Schritt weit sehen konnte. Goethe blieb sitzen und hoffte. Überraschend lichtete es sich. Es war viertel nach zehn Uhr vormittags und der Förster änderte seine Meinung. Um eins standen sie auf dem Brocken und mit Einbruch der Dunkelheit waren sie zurück. Unterwegs entdeckte Goethe, was schon Leonardo den Malern mit auf den Weg gegeben hatte: Schatten sind farbig und veränderlich nach dem Stand der Sonne, sie reflektieren das Licht ihrer Umgebung.

  • Johann Wolfgang Goethe

  • 1777

  • schwarze und weiße Kreide auf Papier, 31 x 53 cm

  • Klassik Stiftung Weimar/Museen, Goethes Besitz, Inv.-Nr. GGZ/0964

Wandertipp

Der Goethe-Weg auf den Brocken von Torfhaus aus gehört zu den am häufigsten begangenen Harzwegen, an schönen Sommertagen reißt der Strom der Wanderer nicht ab. Wie wäre es mit einer Brockenbesteigung im Winter? Vom beliebten Nationalparkzentrum Torfhaus dauert der Aufstieg zweieinhalb Stunden.

Über den Künstler

Goethes Brockenerlebnis
Warum wollte der 28jährige Goethe unbedingt auf den Brocken, warum nahm er diese Mühen auf sich? – Erstmal war die ganze Reise eine heimliche Flucht vor den Anforderungen von Hof und Bergamt und der Liebschaft zu der älteren, verheirateten Freundin Charlotte von Stein mit ihren Missverständnissen, die nicht ausblieben. Dann gab es noch einen besonderen Grund, den schrieb Goethe seiner Freundin: „Ich will Ihnen entdecken( sagen Sie’s niemand), daß meine Reise auf den Harz war, daß ich wünschte, den Brocken zu besteigen, und nun Liebste, bin ich heut oben gewesen, ganz natürlich, ob mir’s schon seit 8 Tagen alle Menschen als unmöglich versichern. (…) Ich war oben heut und habe auf dem Teufelsaltar meinem Gott den liebsten Dank geopfert. (…) Ich habe ein Zeichen ins Fenster geschnitten zum Zeugnis meiner Freudentränen. (…)“ Eine Teufelsprobe also. Ein Zeichen für sein zukünftiges Leben zur Krisenbewältigung? Goethe wagte das Unmögliche, um in ein Hochgefühl wie in einen Flow zu gelangen. Aber ihn beseelte auch eine große Demut vor dem Brocken, der Natur überhaupt, das goss er in seine Verse. Noch heute sind diese beiden widerstreitenden Gefühle allen bekannt, die mühevoll auf des Schusters Rappen gerade bei schlechtem Wetter und in Einsamkeit hinaufpilgern.

Der Torfhaus-Förster über Goethes Brockenaufstieg
Nur 292 Besucher verzeichnete der Brockenwirt auf der Heinrichshöhe für das Jahr 1778. So wenig Menschen bestiegen damals den Brocken, dass der Torfhaus-Förster sich noch nach Jahren an Goethes Besuch erinnerte. Fünfeinhalb Jahre waren vergangen, als Goethe 1783 wiederum anklopfte. Mit Ämtern überhäuft und seit einem Jahr mit einem „von“ geadelt. Herzog Carl August war dabei und auch Bergrat von Trebra, der es uns erstaunt überliefert, weil er Goethes Bericht immer für Angeberei gehalten hatte: „Nun! Da kommen Sie dann doch noch einmal, in einer bessern Jahreszeit den Brocken zu besuchen. Ja! Sie würden dorten, als Sie mitten im Winter von mir begehrten, daß ich Sie auf den Brocken führen sollte, mich mit allen Ihren guten Worten (er gab ihm einen Louisd’or) doch gewiß nicht beredet haben, Ihr Führer zu sein, wenn nicht eben durch den gar starken Frost eine harte Rinde über den tiefen Schnee gezogen gewesen wäre, die uns tragen konnte. Aber noch nie hatte ein Fremder das von mir begehrt, auch würde ich mit keinem das Wagstück unternommen haben, wiewohl es diesmal gut ablief und wir in guter Zeit von der Spitze des unbewohnten großen Brockens wieder hier waren, nachdem wir eine gar seltene heitere Aussicht in der Runde umher genossen hatten.“

Zum Vergleich

28.2 Torfhausmoor, Helbig© Doris Derdey, Ernst Helbig

Ernst Helbig, Winterlicher Brocken im Morgenlicht (Brockenglühen), um 1850, Öl auf Leinwand auf Karton, 19 x 28 cm, Privatbesitz

 

 

28.3 Torfhausmoor, Brandes © Herzog Anton Ulrich Museum Braunschweig

Heinrich Brandes, Wolkenstudie, um 1850, Öl auf Papier, 21 x 28,8 cm, Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Inv.-Nr. ZL III/1549

 

 

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