Adrian Ludwig Richter (1803-1884) wollte nicht so wie sein Vater und Kupferstecher-Lehrer einfach mechanisch abzeichnen, radieren und kolorieren. Er wollte Gefühle ausdrücken. In Dresden an der Akademie begann er deshalb mit Landschaftsmalerei, ging mit einem Stipendium des Verlegers Arnold aus Dresden nach Italien, hatte auch Erfolge. Aber seit acht Jahren saß er in Meißen als Lehrer an der Porzellanmanufaktur fest, zum Malen war wenig Zeit und es brachte auch kein Geld. Drei Kinder hatte er, die geliebte Frau war krank, das Geld reichte nicht. Da kam der Wendepunkt. Er erhielt einen Auftrag, der ihn im Sommer 1836 auch in den Harz führte. In seinen Lebenserinnerungen hat er beschrieben, wie es dazu kam.
Seitdem zeichnete Richter vor allem Vorlagen für Druckgraphik und die machte ihn berühmt. Weil er die armen Leute beobachtete und in seine Bilder Trost hineinmalte. Spätromantischen Idyllen, die den Nerv trafen. Eine solche wird auch im Vordergrund des Sangerhausen-Blattes erzählt: Der reiche Mann neben dem Wagen kommt aus christlicher Nächstenliebe, die arme Sangerhausener Witwe mit ihrer Tochter in bessere Verhältnisse nach Osterode zu holen. Verständlich, dass der Künstler zugunsten einer schönen Bild-Einheit die Topographie künstlerisch etwas frei handhabt.
Aus den Lebenserinnerungen von Adrian Ludwig Richter
„Eines Tages kam Arnold [mein Verleger] mit einem ungewöhnlich griesgrämigen Gesicht zu mir und stellte mich zur Rede, daß ich einem Leipziger Verleger Georg Wigand meine Zustimmung zum Kopieren einiger Prospekte der sächsischen Schweiz seines Verlages gegeben haben müsse. Mir war weder der betreffende Verleger noch das fragliche Opus bekannt, ich begriff aber wohl, wie der durch Nachdruck schon früher vielfach und schwer geschädigte Papa Arnold durch Eingriffe in seine Rechte in Verbitterung kommen mußte. Leicht konnte ich ihm mein Unbeteiligtsein an dieser Sache dartun und wir schieden in alter Freundschaft. Da er nun Wigand mit einer Klage bedrohte, kam dieser nach Dresden, und die beiden Männer verglichen sich. Bei dieser Gelegenheit besuchte mich Wigand, der, damals noch ganz unbekannt mit Kunst und Künstlern, von meiner Existenz in Dresden zuerst durch Arnold erfahren hatte. Er erzählte mir, daß es sich in dem Streite mit diesem um Benutzung einiger Blätter „Ansichten der sächsischen Schweiz“ für sein im Entstehen begriffenes Kupferwerk „Das malerisch romantische Deutschland“ handle; er habe die von mir radierten Blätter nach London gesandt und dort für den Stahlstich in eine wirkungsvollere Manier übersetzen lassen und sie teuer bezahlen müssen. Schließlich fragte er mich, ob ich einige der noch fehlenden Ansichten zur Sektion der „sächsischen Schweiz“ für ihn nach der Natur zeichnen und ausführen wolle. Nun hatte ich mich schon in Rom mit der Idee beschäftigt künftig einmal ein Werk „Die drei deutschen Ströme, Rhein, Donau, Elbe“ zu zeichnen und zu radieren, in welchem nicht nur die malerischen, sondern auch die historisch merkwürdigen Gegenden, Städte, Burgen, Klöster usw. in Verbindung mit den Volkstrachten Festen und Gebräuchen zu einem poetischen Gesamtbilde verarbeitet werden sollten. Ich entwickelte Wigand im Laufe des Gesprächs diese altgehegte Lieblingsidee, und mit Begeisterung rief er aus, das sei es, was ihm, aber ganz unklar, vorgeschwebt habe, und er bat mich, einige Abteilungen des Werkes zu übernehmen. Wir einigten uns über die Sektionen: „Harz“, „Franken“, „Riesengebirge“, und auf diese Weise kam ich zuerst in geschäftliche Verbindung mit Georg Wigand, und die zum „malerischen und romantischen Deutschland“ übernommenen Zeichnungen wurden die Brücke zu meinen späteren Kompositionen für den Holzschnitt. Die Reisen in jene malerischen Gegenden Deutschlands wurden größtenteils zu Fuße zurückgelegt und lieferten fürs Skizzenbuch und die Erinnerung eine reiche Ausbeute von Bildern und Erlebnissen aus dem deutschen Volksleben, die mir für mein späteres Schaffen vielfach zugute kamen.“