Catharina Margaretha Linck (1687-1721) – Oder: Anastasius Lagrantinus Rosenstengel
Ein abenteuerliches Leben führte Catharina Margarethe Linck. Auf Grund familiärer Armut und ihrem Wunsch, mit einer Frau zusammenzuleben, war sie gezwungen ungewöhnliche Wege einzuschlagen.
Zunächst ergab sich als Kind der persönliche Glücksfall mit ihrer Mutter in den neu entstandenen Stiftungen August Hermann Franckes bei Halle unterzukommen. Das heißt, dass sie wie nur wenige Frauen ihrer Zeit, erst recht arme, eine Schulausbildung genießen konnte, die durch den Ort bedingt streng pietistisch war. Hier erhielt sie ein Rüstzeug, welches ihr im späteren Leben – wenn auch nicht im Sinne des Ausbilders – mehrmals half.
Schon früh erkannte Catharina, dass ihr als Frau viele Möglichkeiten im Leben verwehrt blieben und es so auch nicht möglich war, ihre Liebe zu Frauen offen zu zeigen. Ab dem 15. Lebensjahr begann sie sich als Mann zu verkleiden; es folgten unstete Wanderjahre. In den ersten Jahren schloss sie sich verschiedenen christlichen Splittergruppen an, in einer wurde sie auf den hintergründigen Phantasienamen „Anastasius Lagrantinus Rosenstengel“ getauft. Nach Visionen von ihr, die sich nicht bewahrheiteten, musste sie diese Gruppe verlassen und schaffte es auf Umwegen als Soldat im Heer aufgenommen zu werden. Obwohl sie eine ausgeklügelte Tarnung hatte – mit einem Lederdildo täuschte sie ihre Männlichkeit vor und konnte sogar mit Hilfe eines Hornes im Stehen pinkeln – wurde sie mehrmals entdeckt. Sie entzog sich durch Flucht oder taktisches Vorgehen, um beim nächsten Heer anzuheuern. Dieses Soldatenleben führte sie sieben Jahre.
Nach einer zeitweiligen Rückkehr nach Halle zog sie nach Halberstadt, wo sie die 19jährige Catharina Margaretha Mühlhahn kennen und lieben lernte. Gegen den erheblichen Widerstand der Schwiegermutter, die schon früh an der Identität ihres Schwiegersohnes zweifelte, setzten das Paar eine Heirat durch. Da beide keiner geregelten Tätigkeiten nachgingen, wurde bald das Geld knapp. Die Rosenstengels entschieden sich für ein plan- und zielloses Wanderleben, bettelten. Ihr Auskommen hatten sie u. a. dadurch, dass sie – im Fall von Anastasius sogar mehrmals – die Konfession wechselten. Als Anastasius ein letztes Mal nach Halberstadt kam, um seine zwischenzeitlich heimgekehrte Frau abzuholen, kam es zum Eklat. Die Schwiegermutter, nicht mehr willens sich hinhalten zu lassen, überwältigte mit Hilfe ihren Schwiegersohn und entdeckte sein wahres Geschlecht.
Nach der Anklage folgte 1720 bis 1721 ein langwieriger Prozess in Halberstadt. An dessen Ende verurteilte man Catharina Margaretha Linck zum Tod durch das Schwert. Sie wurde als eine der letzten, vielleicht als die letzte Frau in Deutschland hingerichtet, die man der „Unzucht mit einer Frau“ beschuldigte.
Auf den Spuren Catharina Margaretha Lincks in Halberstadt:
Da Halberstadt schwere Kriegsschäden erlitt und in den folgenden Jahrzehnten viele Umbauarbeiten stattfanden, ist von den Orten aus dem Leben Catharinas nichts mehr erhalten. Ihr Stadtviertel, die Kirche ihrer Trauung, das Richthaus sind verschwunden. Selbst der Galgenberg, auf dem ihre Gebeine verschart wurden, wurde bei einer Baumaßnahme abgetragen. Nur der Fischmarkt, der Ort der Hinrichtung, ist zwar neu bebaut, aber an seiner ungefähren historischen Lage erhalten geblieben.
Literatur zum Nachlesen und Quellen:
Angela Steidele: In Männerkleidern. Das verwegene Leben der Catharina Margaretha Linck alias Anastasius Lagrantinus Rosenstengel, hingerichtet 1721. Biographie und Dokumentation. Köln 2004.