© Schmidt-Buch-Verlag, Thorsten Schmidt

Fallstein Destillerie & Manufaktur

von Thorsten Schmidt

Die Silhouette der Harzberge im Rücken erreichen wir auf schmaler Landstraße durch große Felder hindurch Rohrsheim. Ein Ort mit kleinen und großen Gehöften, krähenden Hähnen und streunenden Katzen. Wir parken hinter der Kirche. Fahrzeuge mit fremden Kennzeichen sehen die Dorfbewohner häufig. In den Autos sitzen Menschen auf der Suche nach ländlicher Ruhe und Naturerlebnissen, nach Genussmomenten und Gaumenfreuden. Auf "Pollands Hof" in Rohrsheim finden sie genau das. Hans-Günter Demmel hat sich hier einen Lebenstraum erfüllt, unterstützt von seiner Frau Christa, getragen von beiden Söhnen.
Ein Schild am Hoftor verkündet, Rad-Reisende sind herzlich willkommen, vier Sterne versprechen Komfort und Behaglichkeit. Alles ist hochwertig saniert, sauber, gepflegt. Kein Zweifel: Rind, Schwein und Co. sind auf dem weiten Vierseitenhof nicht mehr zu Hause. Dafür aber eine familiäre Pension und eine bemerkenswerte Manufaktur. Diese hat sich der hochwertigen Verarbeitung von eigenen Bio-Produkten verschrieben. Gleich rechts gelangen wir in die Destillerie, in der es funkelt und glänzt.

"Die zweite Brennanlage steht hier erst seit vorgestern", empfängt uns der Senior-Chef Hans-Günter Demmel mit festem Handschlag und deutet auf große Behälter aus Kupfer und Edelstahl in dem kleinen Produktionsraum. Der rüstige Pensionär führt operativ die Geschäfte aller Firmenteile, deren Inhaber Sohn Thomas ist. "Wir haben die vorhandene Brennblase original nachbauen lassen, denn deren besondere Funktionsweise ist ein wichtiger Garant für die Qualität unserer Erzeugnisse." Nebenan im Maischeraum sorgt eine ebenfalls neue, dritte Brennanlage für hochwertigen Gin. "Wir geben ihm einen ganzen Tag Zeit zum Destillieren, denn je langsamer dieser Prozess abläuft, desto besser schmeckt der Gin", schwärmt Hans-Günter Demmel. Mit der neuen Technik sei eine Steigerung der Produktion um das zehnfache (!) auf 80 000 Liter Edelbrände pro Jahr anvisiert. Investitionen in die Zukunft des Familienunternehmens.

Fallstein Destillerie Manufaktur - Single Malt Whisky mit Carl Pollands Konterfei© Schmidt-Buch-Verlag, Thorsten Schmidt

Selbst ins Geschäft eingestiegen sind die Enkel zwar noch nicht. Ihre Vornamen haben Theo, Tom und Luca aber bereits einigen hochprozentigen Destillaten verliehen, ebenso Gründervater Carl Polland. Das Konterfei des Bärtigen aus Rohrsheim prangt heute auf den Etiketten feiner Single-Malts von "Premium" über "Superior Vintage" bis zum mehrfach prämierten "Carls Single Malt". Letzterer ist beispielsweise im Whisky-Guide Deutschland als Top-Empfehlung zu finden und erhielt 2019 den Kulinarischen Stern Sachsen-Anhalts. Mit diesem wurden bereits zwei Jahre zuvor das Demmel'sche Walnuss-Öl und das Pflaumenmus geehrt. Auch das Qualitätssiegel Typisch Harz ist hier zu Hause, sowohl für Spirituosen als auch für Schaf-, Enten- und Gänsefleisch sowie Schmalz des Bio-Hofes in Vogelsdorf, der ebenfalls zum Unternehmen gehört. Die Wände des großen Verkaufsraumes sind mit Urkunden nahezu tapeziert, die eines dokumentieren: eine beständig hohe Qualität. Und darauf ist der Senior-Chef stolz: "Gut zu sein reicht nicht. Man muss sehr gut sein!"

Unter einer Fotografie des Ehepaars Polland sitzt der Unternehmer mit übereinander geschlagenen Beinen auf einem schlichten Ledersofa und erzählt seine Geschichte. Die Ursprünge des Hofes gehen auf eine mittelalterliche Wehranlage aus dem 8. Jahrhundert zurück. Carl Polland, der Urgroßvater seiner Frau Christa, erwarb Mitte des 19. Jahrhunderts den alten Landwirtschaftsbetrieb, modernisierte ihn und betrieb ihn sehr erfolgreich. Im Zuge der Bodenreform 1945 wurde die Familie enteignet, zog mit mehreren Fuhrwerken 1946 schließlich in den Westen Deutschlands. Nach der Wiedervereinigung reifte in Christa Demmel der Wunsch, in ihrer alten Heimat zu leben. Und so kauften sie das Anwesen zurück und begannen 2002 mit der aufwendigen Sanierung. Heute ist das denkmalgeschützte Bauensemble wieder ein architektonisches Kleinod und die Liebe seiner Besitzer zur Hochwertigkeit kaum zu übersehen – in den zwei Trakten der Manufaktur ebenso wie im ehemaligen Scheunen-Flügel, in dem heute das Heimatmuseum untergebracht ist.

Fallstein Destillerie Manufaktur - Museumsscheune© Schmidt-Buch-Verlag, Thorsten Schmidt

"Etwa 2400 Exponate wurden nach und nach zusammen getragen", berichtet der Senior und schiebt nicht ohne Anstrengung die schweren hölzernen Rolltore beiseite, die den Blick öffnen auf Werkzeuge, Truhen, Tische und Regale gefüllt mit Fotos, Büchern, Tassen, Schüsseln, Schürzen sowie Tüchern und vielen weiteren Utensilien aus längst vergangenen Tagen. Alles wohl sortiert, beschriftet und erklärt. Draußen steht eine Original-Dreschmaschine von 1837. Demmel streicht ihr fürsorglich übers alte Holz:"Die arbeite ich als nächstes auf!" Auch in die Sanierung des alten Gutshauses zur heutigen Pension mit fünf Gästezimmern hat er sich gemeinsam mit seiner Frau eingebracht. Besonders begeistert ihn der restaurierte Fußboden im Foyer mit Original-Fliesen. Im traditionell eingerichteten Frühstücksraum warten bereits mehrere Gedecke auf die nächsten Gäste und in der hochmodernen Küche steht der passionierte Hobby-Koch gern selbst, um seine Pensionsgäste individuell zu beköstigen.

Die Mischung aus Altem und Neuem fasziniert die Besucher, die gern auch im ältesten Teil des Hauses, im romanischen Gewölbekeller, einen guten Tropfen genießen. 2010 schlug die Geburtsstunde der Brennerei mit der Installation der ersten Brennanlage. Inzwischen gilt der Rohrsheimer Hof als gute Adresse für Freunde feinster Edelbrände wie Gin, Korn, Likör, Wodka und Whisky. Wir setzen zu einer Frage an, doch der studierte Landwirt, der über 25 Jahre die Geschicke eines Konzerns kaufmännisch leitete, kommt uns mit einer Einhalt gebietenden Geste zuvor: "Lassen Sie uns zuerst die Begriffe klären: Obstler, Obstgeist und Obstbrand." Was für den unbedarften Laien alles eine Art Schnaps aus Obst darstellt, trennt für den Fachmann Welten. So könne man einfach Wasser mit Primasprit und Aromastoffen mixen (Obstler), zerkleinertes Obst und/oder Obstsaft für natürliches Aroma mit Primasprit mischen und dieses sogenannte Mazerat dann destillieren (Obstgeist). Oder man stellt mit zerkleinerten Früchten eine vergorene Maische her, so dass nach deren Destillation ausschließlich aus der Frucht gewonnener Alkohol für die gewünschte Spirituose Verwendung findet (Obstbrand). Genau so geschieht es in der Destillerie am Fallstein. "Auch der Alkohol unserer Liköre hat seinen Ursprung grundsätzlich in der Frucht", beteuert Hans-Günter Demmel, "und das schmeckt man." Das Gleiche gelte für einen guten Kornbrand. Demmel schenkt uns ein, hält kurz inne und fragt mit milder Strenge:

"Sie wissen, wie man Kornbrand trinkt?" ... "Zuerst leicht schütteln, dann riechen, einen Schluck quer durch den Mund führen, dreimal über die Zunge schicken und wenn es sich dickflüssig anfühlt, hinunterschlucken!"

Hans-Günter Demmel

 

Und ja! Es schmeckt intensiv nach Weizen und lässt das befürchtete Brennen im Hals komplett vermissen. Für Demmel die wichtigsten Qualitätsmerkmale.

Andreas Kascha, seit 2016 Brenner bei Demmel und Cie, weiht uns ein wenig in die Geheimnisse der Brennanlage ein. Am silbern glänzenden Auslass-Stutzen der kupfernen Brennblase erscheint ein Tropfen klarer Flüssigkeit, wächst und stürzt geräuschlos in den darunter stehenden Eimer. Hier sammelt sich das Destillat. Durch dieses offene Verfahren überwache er genau, wann der noch mit Methanol, Gerbsäuren und anderen unerwünschten Stoffen versetzte "schlechte" Schnaps (sogenannter Vorlauf) in reinen, wohlaromatisierten "guten" Alkohol übergeht. Der umtriebige, junge Mann – vom Senior-Chef selbst ausgebildet – lässt den Blick immer wieder auf die Apparaturen und Bullaugen der Kessel schweifen. Er öffnet für uns mehrere Edelstahltanks und gewährt eine Nase voll der verschiedenen Düfte von Apfel über Quitte bis Birne: Hier lagert direkt aus Obstmaische destillierter Alkohol; auf seine Weiterverarbeitung wartend. Den sogenannten Vorlauf und auch den Nachlauf schütten die Brenner hingegen weg.

Die drei Whisky-Sorten aus Rohrsheim werden aus Gerste, Weizen und beiden Getreiden von den eigenen ökologisch bewirtschafteten Feldern der Umgebung gewonnen. Für den besonderen Geschmack sorgen spezielle Malzrezepturen und die dreijährige Lagerung in sorgfältig ausgewählten, gebrauchten Holzfässern, in denen zuvor bereits kräftiger Rotwein reifte. Andreas Kascha führt uns in das Fass-Lager und demonstriert die Reife-Kontrolle, indem er den Stöpsel aus dem Rücken eines Fasses zieht und daran riecht: "Der Whisky wird mit relativ hohem Alkoholgehalt eingelagert, der sich nach und nach verringert, da durch die Poren des Holzes Flüssigkeit verdampft." Halbjährlich verabredet er sich mit seinem Chef, um die Reife der eingelagerten Whiskys zu prüfen und zu entscheiden, ob der richtige Zeitpunkt für die Abfüllung gekommen ist. Eine Besichtigung der Manufaktur, in der bis hin zum Etikett-Aufkleben wirklich alles manuell geschieht, sollte sich niemand entgehen lassen. Und eine Tour auf dem Demmel'schen Obstlehrpfad im Schatten von Gravensteiner, Williams Christ, Rotem Booskop & Co über Streuobstwiesen und durch Bio-Plantagen runden das Bild ab, dass Familie Demmel in der Region südlich des Großen Bruchs seit 2002 zeichnet.

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