© Fotoweberei/Schloß Wernigerode GmbH

Die alte Burg Kyffhausen

1838

Das Motiv

38. Wagner © Schloß Wernigerode GmbH

Standort dieses Malerblicks war die alte Reichsburg Kyffhausen, genauer deren Unterburg. Von hier sehen wir über einen Abgrund hinüber zur Oberburg auf den Barbarossaturm, am Abhang dahinter die Rothenburg, rechts die Goldene Aue und in der Ferne den Harz mit dem Brocken. Natürlich hat der Barbarossaturm seinen Namen durch die bekannte Sage erhalten, nach welcher der staufische Kaiser hier unten im Berg noch lebt und eines Tages das zersplitterte Deutschland endlich wieder einen wird. Die Burg war ein vielbesuchter Ort gerade seit den Zeiten der nationalen Bedrohung während der napoleonischen Krieg und den Befreiungskämpfen. Das zeigt uns der Dresdner Maler durch eine Gruppe junger Männer im Vordergrund; hier hat er sich auch selbst mit ins Bild gebracht. Heute stehen wir auf der Terrasse des Kyffhäuserdenkmals und können die Aussicht genauso erleben. Aber der Blick von der Unterburg ist durch den Denkmalsbau von 1890 bis 1896 versperrt. Für gewaltige neue Terrassenmauern wurden alte Burgmauern beseitigt. Das wilhelminische Deutschland, das zwanzig Jahre später loszog um draufzuhauen, präsentiert hier schon mal seine Träume von Einigsein als Vollender der Träume Kaiser Barbarossas. Die Ansicht bewahrt uns die Erinnerung an eine der größten deutschen Burgen von über 300 Metern Länge und regt an zum Nachdenken über Patriotismus und Nation – schwierige Themen für uns Deutsche.

  • John Charles Varall nach Otto Wagner

  • 1838

  • Stahlstich koloriert mit Eiweißhöhung, Bildgröße 9,8 x 13,8 cm

  • aus: Ludwig Bechstein, Thüringen, in: Das malerische und romantische Deutschland, Leipzig bei Wigand, 1838, aus den Sammlungen der Schloß Wernigerode GmbH

Wandertipp

Der kleine und markante Höhenzug des Kyffhäuser ist leicht durchwandert und bietet immer wieder schöne Ausblicke auf die über 250 Meter tiefer liegende Niederung. Immer auf der Höhe entlang und meist abseits der Straße verbindet ein Wanderweg – Teilstück des 37 Kilometer langen Kyffhäuserweges – die beiden Burgen Kyffhausen und Rothenburg, die auch die höchsten Punkte des Kyffhäuser markieren (5 Kilometer, 1 Stunde).

Über den Künstler

Dieser Stahlstich erschien ebenfalls wie die Stahlstiche von Adrian Ludwig Richter in dem populären mehrbändigen Werk „Das malerische und romantische Deutschland“, das der Leipziger Verleger Georg Wigand herausgab und mit dem er als Mischung von literarischem Wandererlebnis und Bildern ganz den Nerv der Zeit traf. Aber nicht im Band für den Harz, sondern für Thüringen! Der Dresdner Maler Otto Wagner (1803-1861) hat die Thüringen-Zeichnungen gemacht. Er beobachtet die Menschen nicht so genau wie Richter, seine Figuren bleiben Staffage. Schauen Sie zum Vergleich Richters Ansicht vom nahegelegenen Sangerhausen an. Übrigens gab es auch Maler, die den Kyffhäuser zum Harz zählten, beispielsweise 1828 in einer Harz-Serie, vielleicht einfach wegen der Aussicht hinüber? Denn historisch ist der fruchtbare Boden der Goldenen Aue zwischen Harz und Kyffhäuser altes Thüringer Land seit den sagenhaften Thüringer Königen aus dem Geschlecht der Agilolfinger. Aber Harzmaler haben den Kyffhäuser immer wieder in ihre Blattfolgen aufgenommen und auch heute kooperieren Harz und Kyffhäuser im Tourismus. Denn was wäre der Kyffhäuser ohne die Sicht hinüber zum Harz.

Zum Vergleich

38.2 Hildburghausen © Schloß Wernigerode GmbH

Bibliographisches Institut Hildburghausen, Burg Kyffhäuser und Rothenburg von Südosten, um 1850 Stahlstich, aus: Joseph Meyer, Meyer's Universum. Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde, Bd. 15 (1852), herausgegeben vom Bibliographischen Institut Hildburgshausen, aus den Sammlungen der Schloß Wernigerode GmbH

Der Standort dieses Malerblickes ist ebenso wie der ältere kolorierte Stahlstich von 1838 die Unterburg der Reichsburg Kyffhausen. Hauptmotiv ist der Barbarossaturm, im Hintergrund die Rothenburg und ganz hinten der Brocken. War der Zeichner dieses Stahlstichs wirklich vor Ort oder haben die Macher in Hildburghausen nicht eher die ältere Vorlage benutzt? Indiz 1, sie nennen keinen Künstler. Indiz 2, der Standort und Details des Barbarossaturms stimmen genau überein. Indiz 3, das gotische Fenster links ist sonst nicht überliefert, es ist eine künstlerische Zutat. Finden Sie weitere Argumente?

38.3 Baur © Privatbesitz Inge von Hofe

Albert Baur, Die Rothenburg von Südosten, 19. April 1830, Bleistiftzeichnung in einem Skizzenbuch, Blattgröße 11 x17 cm, Privatbesitz Inge von Hofe

Die Rothenburg war ebenfalls ein Treffpunkt von Patrioten in der Zeit der Befreiungskriege. Die Barbarossa-Sage vom Kyffhäuser und die rote Farbe des Sandsteins haben das befördert. Der angehende Pfarrer Albert Baur war einer von ihnen, übrigens befreundet mit Turnvater Friedrich Ludwig Jahn, den er damals im April 1830 zuvor in Freiburg /Unstrut in seinem Exil besucht hatte. Längst herrschte wieder die Reaktion. Es war Baur als Theologe nicht möglich, in Preußen zu studieren und eine Pfarrersstelle in Berlin zu erhalten. Noch aus Belzig/Fläming stellte er mehrfach Anträge dafür, die abschlägig beschieden wurden. Seine gesamte Post erreichte ihn bis zur Aufhebung der Turnersperre 1844 immer geöffnet und zensiert. Baur zeigt uns links im Tal das kleine Kelbra und die Burganlage natürlich vor den späteren Anbauten, die ausgeführt wurden, als noch roter Sandstein beim Bau des Kyffhäuserdenkmals 1896 übrig geblieben war.

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