In unserer Heimat gibt es noch ein paar graue Flecken auf der Landkarte, von denen wir eigentlich so gar keine Vorstellung haben. Ganz genau so einer ist bislang der Naturpark Südharz im Norden Thüringens für mich gewesen. Beim Gedanken an die Mittelgebirgsregion Harz tauchen als erstes Bilder von mystischen Felsformationen, ausgedehnten, dunklen Fichtenwäldern und dem sagenumwobenen Brocken vor meinen Augen auf. Der südliche Harz rund um Nordhausen ist anders. Unberührter, bescheidener, stiller. Und doch spektakulär und faszinierend auf seine ganz eigene Weise. Was haben wir auf unserem Trip durch den Naturpark Südharz im Spätsommer alles erlebt? Und warum genau hat eigentlich dieses schöne Fleckchen Erde das Potential zu einer meiner neuen Lieblingsregionen in Deutschland zu werden? Genau darum soll es in diesem Beitrag gehen!
Wandern abseits ausgetretener Pfade
Als Naturliebhaber und große Wanderfans sind wir im Naturpark Südharz genau an der richtigen Stelle gelandet, denn die Landschaft ist alles andere als eintönig. Grüne Karstbuckellandschaften mit Gipshöhlen, Karstquellen und Gipssteilhängen prägen den südlichen Teil. In den nördlicheren Höhenzügen wandern wir durch tiefe Wälder, über blühende Bergwiesen und bestaunen geheimnisvolle Felsformationen. Zeitzeugen der Vergangenheit begegnen wir bei der „Grünes Band-Tour“ auf dem Harzer Grenzweg. Diese Wanderung beschert uns nicht nur tolle Ausblicke auf das weite südliche Harzvorland und den Gipfel des Brockens. Auf den schmalen und wilden Pfaden sehen wir auch immer wieder alte Grenzsteine und schwarz-rot-gelbe Grenzpfeiler. Wo heute die Landesgrenze zwischen Thüringen und Niedersachsen verläuft, lag früher das Sperrgebiet zwischen der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik. Die Vorstellung, dass hier einmal der Todesstreifen entlang führte, sorgt für Beklemmungen. Und irgendwie ist es auch unwirklich, denn die grüne Wildnis, die sich hier ausgebreitet hat, ist einfach wunderschön anzuschauen. Wo früher Grenzsoldaten patrouillierten, ist heute Platz für eine besondere Artenvielfalt.
Kaum haben wir den Ausblick auf die idyllische Hundertmorgenwiese, die mit Kuhherde samt laut bimmelnden Glocken fast voralpin anmutet, genossen, stoßen wir wieder auf Reste von Stacheldrahtzäunen und frühere Kolonnenwege. Eine Tour der Kontraste, die uns nicht nur landschaftlich begeistert, sondern auch aufgrund der Geschichte, die dahinter steckt, tief berührt.
Fachwerktraum Stolberg & Rolandstadt Nordhausen
Bei unserem Besuch des geschichtsträchtigen Fachwerkstädtchens Stolberg haben wir fast das Gefühl, durch eine romantische Filmkulisse zu laufen. In der historischen Altstadt reihen sich über 380 Fachwerkhäuser aus vier Jahrhunderten malerisch aneinander. Wer sich - wie ich - an bunten Fachwerkhäuschen gar nicht satt sehen kann, sollte vorsichtshalber eine Ersatz-Speicherkarte für die Kamera mitbringen, denn hier mangelt es nicht an hübschen Fotomotiven. Hoch über der Stadt thront auf einem Bergvorsprung das Stolberger Schloss, dessen Museum selbstverständlich auch besichtigt werden kann. Wir lassen uns aber lieber ein paar der Leckereien und Keksspezialitäten im Fabrikshop des Friwi-Werkes schmecken, eine unbedingte Empfehlung!
Wem nach der Zeitreise durch Stolberg der Sinn eher nach einer größeren Stadt mit kulturellem Angebot steht, wird in Nordhausen fündig werden. Nordhausen gilt als das „Thüringer Tor zum Harz“. Als Wahrzeichen der Kreisstadt ziert der Nordhäuser Roland die Fassade des alten Rathauses und überwacht den Marktplatz. Er ist ein Symbol für Freiheit, Macht und Gerichtsbarkeit. Obwohl im zweiten Weltkrieg fast das gesamte Stadtgebiet durch Luftangriffe zerstört wurde, ist ein kleiner, aber dafür umso wertvollerer Altstadtkern erhalten geblieben. Es macht Spaß, durch die kleinen Gassen, die durch etliche Treppen und Stiegen miteinander verbunden sind, zu bummeln. Und auch entlang der historischen Stadtmauer laden versteckte Wege und Stege zum Entdecken ein.
Wofür Nordhausen noch berühmt ist? Zwei riesige Kornflaschen prägen nicht zufällig einen Teil des Stadtbildes. In der Nordhäuser Traditionsbrennerei wird schon seit dem Mittelalter Korn gebrannt. Prost!
Der Dampflok hinterher - Mountainbiken auf schmalen Spuren
Der Südharzer Dampfloksteig ist eigentlich ein Wanderweg, der sich auf knapp 42 Kilometern und drei Tagesetappen durch den Naturpark Südharz schlängelt. Die mit einer roten Lokomotive markierte Route vom Bergdorf Sophienhof bis nach Nordhausen bietet weite Ausblicke in das Harzvorland und Abstecher zu Burgruinen, spektakulären Felsformationen und Haltestellen der berühmten Harzer Schmalspurbahnen.
Auf den schmalen, naturbelassenen Pfaden lässt es sich aber mindestens ebenso gut mountainbiken und dabei fast 2.000 Höhenmeter überwinden. Allerdings wird es technisch teilweise ganz schön knifflig, steil und ausgesetzt, so dass sich auch ein paar Schiebepassagen (zumindest für mich) nicht vermeiden lassen. Wir sind auf der zweiten Etappe von Neustadt nach Netzkater unterwegs und erkunden auf der
landschaftlich wunderschönen Route jede Menge Highlights. Besonders beeindruckt uns die Burgruine Hohnstein mit ihrem mittelalterlichen Flair und einer Burganlage, die Abenteuerlust weckt. Aber auch die spektakulären Aussichten an den Felsenklippen der Bielsteine, am markanten „Gänseschnabel“aus Vulkangestein und vom 33 Meter hohen Poppenbergturm sind Höhepunkte unserer Bike-Tour. Das 360-Grad-Panorama auf den Brocken und die umliegenden Wälder des Kyffhäuser Gebirges lohnen den steilen Aufstieg auf den stählernen Aussichtsturm unbedingt. Eines ist auf dem Südharzer Dampfloksteig sicher: Egal, ob Du zu Fuß oder mit dem Mountainbike unterwegs bist, immer wieder begegnen Dir die schmalen Gleise der Harzer Schmalspurbahnen mit der nostalgisch schnaufenden Dampflok.
Höhlen & Bergwerke - Abenteuer im Dunklen erleben
In der Südharzer Karstlandschaft kannst Du besondere Naturphänomene entdecken, denn durch den wasserlöslichen Gipskarst sind Seen, Höhlen und eine faszinierende Landschaft entstanden. Wahnsinnig spannend ist die Besichtigung der rund zwei Kilometer langen Karstschauhöhle „Heimkehle“ bei Uftrungen. Bei einer Führung tauchen wir in die Unterwelt der Karstlandschaft ein und sind fasziniert vom glasklaren, unterirdischen Thyra-See. Die Heimkehle ist jedoch nicht nur ein geologisches Phänomen, sondern auch naturwissenschaftlich etwas ganz Besonderes, da sie vielen Fledermausarten als Winterquartier
dient. Leider verbirgt die Höhle aber auch ein trauriges und dunkles Kapitel deutscher Geschichte und dient als Mahn- und Gedenkstätte an die NS-Zeit. Die Hohlräume der Heimkehle wurden damals zum Produktionswerk für Flugzeug-Fahrgestelle ausgebaut, in dem KZ-Häftlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften mussten.
Und dann steht noch ein unvergessliches Abenteuer auf unserem Programm: Die Expedition „Altbergbau-Spezial“ im Erlebniszentrum Bergbau vom Röhrigschacht Wettelrode! Bei dieser Exkursion unter Tage erfährst Du nicht nur eine Menge über die 800-jährige Geschichte und harten Arbeitsbedingungen des Kupferschieferbergbaus. In 283 m Tiefe heißt es „Glück auf“, und Du wirst in die Welt der Bergleute aus dem 19. Jahrhundert versetzt. Wir waten mit unseren Grubenlampen und Gummistiefeln im gebücktem Gang durch die schmalen und niedrigen Abbaufelder und bestaunen mit großen Augen die üppig bunten und
schillernden Versinterungen und Tropfsteine. Teilweise läuft das Sickerwasser von der Decke in Strömen herab. Schließlich wartet mit einer Kanufahrt durch einen Stollen das absolute Highlight der Expedition
auf uns. Eine magische, fast unwirkliche Atmosphäre! Was wir noch alles auf unserer fast sechsstündigen Abenteuer-Tour ohne Tageslicht erlebt haben, solltest Du nicht verpassen und in meinem ausführlichen Blogartikel Naturpark Südharz - Aktiv unterwegs rund um Nordhausen in Thüringen nachlesen.
Für Romantiker - Die Seele baumeln lassen im Rosarium
Nach soviel Outdoor-Action und Abenteuer-Expeditionen im Stockdunkeln ist es an der Zeit für ein Kontrastprogramm und etwas Entspannung. Auf in die Rosenstadt Sangerhausen! Hier kannst Du im Europa-Rosarium die weltgrößte Rosensammlung bestauen und mal so richtig Deine Sinne beleben. Unser Spaziergang durch den 13 Hektar großen, wunderschön angelegten Park führt uns an mehr als 8.600 (!) Rosensorten und -arten vorbei. Wahnsinn, welche Vielfalt in dieser gepflegten Umgebung präsentiert wird. Perfekter könnte der Abschluss unserer fünf kurzweiligen und abwechslungsreichen Tage im
Naturpark Südharz nicht sein.
Die Zeit im touristisch zum Teil noch völlig unberührten Südharz ist wie im Fluge vergangen. Ein perfekter Ort der Entschleunigung, an dem wir an vielen Stellen das Gefühl hatten, in die
„guten alten Zeiten“ zurückbefördert worden zu sein. Wer gerne abseits der ausgetretenen Pfade in ursprünglicher Natur unterwegs ist, wird den Geheimtipp Südharz mit Sicherheit ebenso ins Herz schließen, wie es uns ergangen ist. Wo der Harz am südlichsten ist, ist es halt einfach auf unaufgeregte Weise schön!
Mehr von Sabrinas Erlebnissen könnt ihr auf www.couchflucht.de nachlesen.